 |  | | | Von den news.de-Redakteuren Björn Menzel und Jens Kiffmeier, Berlin | | | | Lesen Sie den Artikel auch auf news.de: Darum wird Energie so teuer
Wer A sagt, muss auch B sagen: Doch Atomgegner und Ökos tun sich nach der Energiewende schwer, die Auswirkungen zu akzeptieren. Bei wichtigen neuen Stromleitungen geht es um Umweltzerstörung und viel Geld - und um hohe Strompreise.
Der Thüringer Wald ist jetzt schon zerschnitten von Straßen, Stromleitungen und Tunnelröhren. Das weiß auch Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU). Doch es wird in Zukunft noch mehr werden. Mit dem Ausstieg aus der Kernenergie kommen neue Anforderungen und damit Einschnitte in die Natur. Deutschland braucht weitere Stromleitungen, um in Zukunft die Energie, die in den Windparks im Norden produziert wird, in den Süden transportieren zu können. Thüringen wird Transitland und nicht nur der Thüringer Wald könnte darunter leiden.
«Deutschland steigt aus der Kernenergie aus und wir können nicht zu allem anderen nein sagen», sagt Lieberknecht im Gespräch mit news.de. Der Ausstieg habe Konsequenzen. «Da müssen wir ehrlich sein.» Dazu gehört unter anderem, dass quer durch den Freistaat eine Stromtrasse Richtung Bayern verlegt wird, auch durch den Thüringer Wald. «Die Leitung wird kommen», bestätigt Lieberknecht. Jedoch befinde man sich mit den Betroffenen in konstruktiven Gesprächen.
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Gespräche mit dem Bürger? Das erscheint dringend notwendig. Denn zurzeit haben Bewohner von Bundesländern, in denen erneuerbare Energie erzeugt und demnächst auch durchgeleitet wird, viele Nachteile. Das Verschandeln der Landschaft ist nur ein Punkt. Daneben betrifft es vor allem den Strompreis selber. In Ländern wie Thüringen, Sachsen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt oder Mecklenburg-Vorpommern sind die sogenannten Netzentgelte doppelt so hoch, wie in anderen Bundesländern. Das sind Kosten, die der Netzbetreiber für die Stromdurchleitung verlangt. Dadurch sind auch die Strompreise in den betroffenen Ländern bis zu 20 Prozent höher.
«Die Netzgebühren sind zum Teil abhängig von der Einspeisung von erneuerbaren Energien. Das ist absurd, denn gerade die müssen wir privilegieren», sagt Lieberknecht, die in dieser Angelegenheit nicht mehr reden, sondern handeln will. Im Bundesrat steht die Landeschefin aus Thüringen deswegen hinter einer Initiative, mit der die Netzentgelte bundesweit vereinheitlicht werden sollen. Außerdem: Für die Gemeinden und Bewohner, die direkt vom Bau von Stromleitungen betroffen sind, werden zurzeit Ausgleichszahlungen verhandelt, die zwar gesetzlich vorgesehen, jedoch nicht verbindlich sind. Es geht um bis zu 40.000 Euro pro Kilometer Stromtrasse.
Die Deutsche Bahn könnte Ärger über neue Trassen eindämmen
Eine Idee dreht sich jedoch darum, wie immer mehr umweltzerstörende Trassen verhindert werden können. In der Diskussion steht vor allem das Mitnutzen von bereits vorhandener Infrastruktur. Leitungen könnten an Autobahnen oder Bahngleisen entlang verlegt werden. Geprüft wird deshalb, ob das Stromnetz der Deutschen Bahn nicht auch für den Energietransfer mitgenutzt werden kann. Immerhin besitzt der ehemalige Staatskonzern ein leistungsfähiges Hochspannungsnetz, das mit seinen 7800 Kilometern das zweitgrößte Netz der Republik ist und sich bereits jetzt durch das gesamte Land erstreckt.
 | Anzeige | «Ich halte sehr viel davon, wo immer es geht, Infrastruktur miteinander zu bündeln», sagt Lieberknecht. Sei es in Form von Straßen, Bahnlinien oder Autobahnen. Lieberknecht ist dabei längst nicht die einzige, die in dieser Idee die Lösung vieler Probleme bei der Energiewende sieht. Vor allem Bürgerproteste wären bei dieser Ausbauvariante kaum zu erwarten, da die Trassen in einem großen Umfang bereits bestehen. Kein Wunder also, dass sich auch in Berlin viele Befürworter finden lassen.
So bezeichnet der energiepolitische Sprecher der Grünen, Oliver Krischer, die Prüfung der Idee grundsätzlich als «sinnvoll». Und auch der SPD-Verkehrsexperte der SPD, Florian Pronold, sagt auf Anfrage unseres Portals: «Diese Lösung klingt zunächst ganz charmant.» Doch bei aller Freude - beide Politiker warnen im zweiten Atemzug zugleich vor einer zu großen Euphorie. Denn so gut die Idee auch klingt, hinter der Umsetzung stehen nach wie vor zwei große Fragezeichen.
Bündelung von Infrastruktur als Lockmittel für Terroristen?
Erstens bedeutet eine Bündelung von Infrastruktur zugleich auch eine größere Anfälligkeit. Fällt das Meganetz aus, liegt alles brach im Land: Haushalte, Industrie, Bahn. Gerade für Terroristen wäre das Stromnetz somit ein «interessantes Ziel», gibt Pronold zu bedenken. Und zweitens: die technische Machbarkeit lässt sich nicht ohne größeren Aufwand realisieren. So ist das 110.000-Volt-Hochspannungsnetz der Bahn derzeit nur darauf ausgelegt, den Bedarf des Unternehmens zu decken. Um zusätzlich Privathaushalte und Industrie zu versorgen, müsste das Netz und die Übertragungsleistung erweitert werden. Dafür sind teilweise neue Masten und neue Kabel nötig.
Das kostet viel Geld. Die Bahn rechnet mit 250.000 Euro pro Kilometer - und wittert bereits ein hübsches Zusatzgeschäft. Doch seitens der Politik fragt man sich: Wo soll das Geld herkommen? Und ist es vielleicht doch nicht billiger, ein komplett neues Netz zu bauen? «Wer einmal als Kommunalpolitiker mit der Bahn verhandelt hat, weiß wie schwierig es ist. Man rennt von Pontius zu Pilatus», sagt Pronold.
 | Anzeige | Vor diesem Hintergrund raten die Entscheidungsträger auch von einer zu eingleisigen Planung ab. Beim Thema Netzausbau müssen alle Gedanken auf den Tisch, heißt es dazu. Stromleitungen, Bahntrassen, neues Netz, Entgelte - alles hänge zusammen und müsse parallel vorangetrieben werden. Und laut Pronold solle man dabei vor allem eines nicht vergessen: den Bürger. «Wir brauchen eine andere Kultur der Beteiligung», sagt er zu news.de. Wie viele andere Politiker auch, will er kein zweites Stuttgart 21 erleben. Denn beim Netzausbau würde der Wutbürger dann nicht mehr regional begrenzt für seine Interessen streiten. «Konsens erzielt man nicht durch Überrumpelung» sagt der SPD-Politiker.
Doch genau das war bislang das herrschende Prinzip. Denn der Verlauf neuer Trassen wurde in der Vergangenheit stets ohne die Bürger geplant. Erst wenn feststand, wo die neuen Leitungen herführen sollten, konnten die Anwohner sagen, was sie davon halten. Wirkliche Mitsprache? Kaum. «Meistens kann man sich entscheiden, ob die Leitung links oder rechts vom Haus verlaufen soll oder ob man gleich verkaufen will», kritisiert Pronold. Er plädiert deshalb für eine Änderung am Planraumordnungsverfahren, wonach der Anwohner bereits in einem viel früheren Stadium eingebunden werden soll. Also nicht erst, wenn die Trasse bereits auf dem Papier den Thüringer Wald durchschneidet.
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